„Dualer Vertrieb“ reloaded – Importeure aufgepasst!

Vertikal-GVO neu – Teil 1

Der Entwurf für eine neue Vertikal-GVO ist veröffentlicht. In den kommenden Wochen werden wir deshalb ausgewählte Bereiche aus diesem Entwurf vorstellen und erörtern. In der endgültigen Fassung der neuen GVO können sich natürlich noch Änderungen ergeben.

Den Anfang macht der duale Vertrieb, von diesem ist in diesem Zusammenhang recht oft die Rede. Was soll sich hier nun ab 2022 wirklich ändern?

Dualer Vertrieb bedeutet, dass der Hersteller oder Importeur nicht nur Einzelhändler beliefert, sondern zusätzlich auch in Wettbewerb zu den belieferten Einzelhändlern tritt, indem er selbst Endkunden beliefert. Man spricht auch vom zweigleisigen Vertrieb, Importeur und Einzelhändler werden zu Wettbewerbern.

Wichtig: Die Konzernstruktur spielt kartellrechtlich keine Rolle. Deshalb liegt zweigleisiger Vertrieb auch dann vor, wenn der Importeur auf der Einzelhandelsstufe über eine eigene Tochtergesellschaft tätig ist.

Nun erfasst schon die bisher geltende Vertikal-GVO keine Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern. Für den zweigleisigen Vertrieb gibt es aber eine Ausnahme: Auch wenn sich Hersteller/Importeur (in der Folge einfach: Importeur) und Einzelhändler auf Einzelhandelsstufe als Wettbewerber gegenüberstehen, ist die zwischen ihnen geschlossene Vereinbarung freigestellt (Art 2 Abs 4).

Im Entwurf für eine neue Vertikal-GVO ist diese Ausnahme an genau gleicher Stelle (Art 2 Abs 4) erneut zu finden. Der zweigleisige Vertrieb wird also weiterhin von der Freistellung erfasst, obwohl es sich um eine Vereinbarung zwischen Wettbewerbern handelt. Neu sind aber die folgenden zusätzlichen Voraussetzungen, damit der zweigleisige Vertrieb freigestellt bleibt:

  1. Der Importeur und der jeweilige Einzelhändler dürfen auf dem relevanten Einzelhandelsmarkt einen gemeinsamen Marktanteil von höchstens 10% erreichen. Da der Kfz-Einzelhandelsmarkt – also jener Markt, auf dem sich Kfz-Händler und Endkunden gegenüberstehen – markenübergreifend abzugrenzen ist, werden Fälle, in denen diese Schwelle von 10% überschritten wird, im Kfz-Bereich wohl die Ausnahme bleiben. Wenn man diesen Markt regional eng eingrenzt, ist das freilich nicht ausgeschlossen (das bleibt abzuwarten). Doch selbst dann wäre der zweigleisige Vertrieb noch freigestellt, es würden noch zusätzliche Anforderungen greifen (das würde hier den Rahmen sprengen).
  2. Außerdem darf die Vereinbarung zwischen Importeur und Einzelhändler keine bezweckten horizontalen Wettbewerbsbeschränkungen enthalten. Sie darf also keine bezweckten Beschränkungen enthalten, die das Wettbewerbsverhältnis zwischen Importeur und Einzelhändler auf Einzelhandelsstufe – in Abgrenzung zum vertikalen Verhältnis, also zur Lieferbeziehung – betreffen. Insoweit wird das Wettbewerbsverhältnis zwischen dem Importeur und dem Einzelhändler auf dieser Stufe damit in Zukunft gleich streng beurteilt wie jenes zwischen zwei „reinen“ Wettbewerbern ohne Lieferbeziehung. Problematisch könnten hier insbesondere Kundenzuweisungen oder Marktaufteilungen sein, wie sie in der Vergangenheit in manchen Kfz-Händlerverträgen zu finden waren (Importeur XXX behält sich vor, bestimmte Kunden, etwa internationale Organisationen, direkt zu beliefern, und zwar ausschließlich). Und auch die übliche unverbindliche Empfehlung von Listenpreisen könnte sich hier als problematisch erweisen. Ganz generell werden Importeure ihre Händlerverträge, insbesondere ihre Klauseln im Zusammenhang mit dem Direktvertrieb, auf mögliche bezweckte horizontale Wettbewerbsbeschränkungen hin untersuchen müssen.

Hingegen schreiben weder die geltende Vertikal-GVO noch der Entwurf für eine neue Vertikal-GVO dem Importeur vor, am Endkundenmarkt die belieferten Händler nicht zu unterbieten. Wie auch in sonstigen Wettbewerbsverhältnissen kann der Importeur (bzw seine Tochtergesellschaft) am Endkundenmarkt durchaus mit aggressiver Preispolitik auftreten und nur geringe Margen in Kauf nehmen.

Eine Grenze gibt es, wenn eine marktbeherrschende Stellung des Importeurs dem Händler gegenüber vorliegt, was im Einzelfall zu prüfen ist. Hier kann darin ein Missbrauch durch eine mögliche Kosten-Preis-Schere liegen (was eine Kosten-Preis-Schere ausmacht, erläutern wir hier in allen Details): (Nur!) Wer den Markt beherrscht, darf im Rahmen eines zweigleisigen Vertriebs die Endkundenpreise in der Regel nicht derart niedrig ansetzen, dass die belieferten Einzelhändler Verluste in Kauf nehmen müssten, würden sie die Endkundenpreise gleich niedrig ansetzen, selbst wenn sie gleich effizient arbeiten wie der Marktbeherrscher (so der OGH in 16 Ok 4/20d, „Büchl“).

Fazit: Beim dualen (zweigleisigen) Vertrieb wird sich nicht viel ändern. Bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen in horizontaler Hinsicht müssen in Zukunft aber draußen bleiben. Darauf müssen Importeure achten, andernfalls riskieren sie den Verlust der Freistellung. Was genau alles als "bezweckte Wettbewerbsbeschränkung in horizontaler Sicht" gilt, das wird noch im Detail herausgearbeitet werden müssen.